Mittwoch, 23. Dezember 2015

Österreich verliert seit Jahren in den aktuellen globalen Wettbewerbsrankings


Österreich verliert seit Jahren in den aktuellen globalen Wettbewerbsrankings, derzeit ist die Republik Nummer 23. Für die einen, sagen wir die ÖVP, ist das ein Alarmzeichen. Für die anderen, sagen wir die SPÖ, ein eher sinnloses Aneinanderreihen von kaum vergleichbaren Daten.
Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) platzierte sich in der Mitte: Das Abrutschen sei schon ein Zeichen struktureller Schwächen, geht dann aber kaum auf nationale Besonderheiten ein - etwa auf die Sozialpartnerschaft in Österreich. Sie hat zuletzt 2009 stark eingegriffen. Die Kurzarbeitsregelungen haben massive Arbeitsplatzverluste verhindert, als die heimische Wirtschaft urplötzlich vor praktisch leeren Auftragsbüchern stand.
Das ist vorbei, geblieben ist seitdem ein kontinuierlicher Anstieg der Arbeitslosenrate. Derzeit drohen im Winter 2016 fast 500.000 Arbeitslose. Gleichzeitig hinkt das Wirtschaftswachstum dem EU-Durchschnitt hinterher, auch wenn es sich 2016 auf 1,6 Prozent beschleunigen könnte.
Nun sollen also wieder, wenn es nach den ÖVP-Granden Reinhold Mitterlehner und Hans Jörg Schelling geht, Leitbetriebe gefördert werden, die Industrie insgesamt. Industriellen-Verbandschef Georg Kapsch assistiert dabei.
Lohnnebenkosten runter, eine Milliarde Euro sei ja beschlossen, beschwört die ÖVP fast flehentlich. Ihr weht ein rauer Wind ins Gesicht, die Gegenmaßnahmen zur Steuerreform ab 2016 finden bei Kleinbetrieben wenig Gegenliebe. Registrierkassen sowie (im Vergleich zur Größe der Unternehmen) inadäquat scharfe Betriebsprüfungen machen vielen Klein-Unternehmern das Leben schwer. Also wird nun politisch versucht, dem Wirtschaftsstandort Österreich frisches Leben einzuhauchen. Die großen Unternehmen, Auftraggeber vieler kleinerer Lieferanten, sollen ihre Investitionstätigkeit beschleunigen.
Grundsätzlich eine gute Idee, denn gerade die Industrie war es, die in den vergangenen Jahren Jobs abgebaut und Neu-Investitionen so gut wie unterlassen hat. Die Vorstandsvorsitzenden großer Unternehmen zeigen mit dem Finger auf die Politik, diese habe die Dinge schleifen lassen.
Wolfgang Eder, Chef der voestalpine, findet es besorgniserregend, dass die Lohnkosten stärker steigen als die Produktivität. Österreich verliere so Wettbewerbsfähigkeit.
Ein Satz, den Wirtschaftsforscher nicht so stehen lassen. Das Wifo warnt vor einem Lohn-Wettbewerb, den Österreich sowieso nicht gewinnen könne. Hannes Androsch plädiert unermüdlich für eine Bildungsreform und einen Ausbau der Berufsqualifizierungen. Nur mit Wissen könne Österreich den Wettbewerb bestehen, nicht mit billigen Arbeitskräften.
Genau hier liegt aber ein wesentliches Problem: Mit wem konkurriert Österreich? Die großen Betriebe wie die voestalpine verweisen darauf, dass in den USA vergleichbar ausgebildete Industriebeschäftigte ein Drittel weniger kosten - gar nicht so sehr wegen des Bruttogehalts, sondern wegen der Abgaben und Lohnnebenkosten.
Hier entsteht das erste politische Problem: Abgaben wie die Kommunalsteuer kommen der jeweiligen Sitzgemeinde des Arbeitnehmers zugute. Der größte Teil der Lohnnebenkosten (jährlich knapp über 30 Milliarden Euro für alle Beschäftigten) finanziert die diversen Sozialversicherungen. Bürgermeister und Krankenkassen sitzen zwar nicht am Tisch bei Lohnverhandlungen, sind aber Nutznießer - und wollen davon nichts abgeben.
Wobei bei der Sozialversicherung (außer Pensionsversicherung) auch noch dazu kommt, dass es keine begleitende politische Debatte gibt, welche Leistungen sie erbringen soll.
Das alles hat mit der Wettbewerbsfähigkeit eines Staates nur indirekt zu tun. Wenn die Sozialversicherungsabgaben reduziert werden, müsste halt der Staat mit Zuschüssen einspringen. Ein einigermaßen augeglichenes Budget wäre in diesem Fall in Österreich undenkbar. Schwache Budgetdaten würden freilich die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs ebenfalls einschränken. Das Beispiel Südeuropa zeigt, dass auch Unternehmen unter der schwachen Bonität eines Landes leiden.
Eine globale Betrachtung der Wettbewerbsfähigkeit auf reiner Kostenbasis ist daher kaum möglich. Sie wird zwar von Investoren gemacht, weil die großen Unternehmen an den Börsen notieren, und der Börsekurs auf globaler Ebene vergleicht, egal, ob das Unternehmen in London oder Frankfurt oder Wien notiert.
Doch solche Börsekurse vergleichen etwa auch die Stahlkonzerne ArcelorMittal und voestalpine. Und der Vergleich hinkt nicht nur betriebswirtschaftlich, sondern auch volkswirtschaftlich. Die Forschungsquote der voestalpine ist ungleich höher, die Qualität der Produkte dementsprechend auch. Die Produktionen in Linz und Donawitz sind ungleich ressourcenschonender, auch dies bleibt an der Börse unbedankt. In einer Zeit des Klimawandels und des Kampfes gegen Armut sind also globale Wettbewerbsrankings tatsächlich mit Vorsicht zu genießen. Bleiben die politischen Unterschiede sowie die Innovationsfähigkeit des Managements eines Unternehmens.
Zweiteres wird in Österreich ebenfalls hinterfragt. Viele Exportunternehmen halten an Märkten fest, die sie kennen, aber schwächer wachsen. Aber dafür die Arbeitnehmer zu Lohnverzicht drängen? Auf Gewerkschaftsseite wird darauf hingewiesen, dass die ausgeschütteten Gewinne (etwa Dividenden) zu hinterfragen wären. Immerhin sei die Lohnquote ohnehin beständig gesunken, das ist der Anteil der Arbeitnehmer an der Wertschöpfung eines Unternehmens.