Freitag, 31. Juli 2015

Faymann: Wohnbaupaket bringt Beschäftigung  und leistbare Wohnungen

Baustellenbesuch beim Projekt "Junges Wohnen" in St. PöltenSt. Pölten/Wien (bpd) - "Wohnbauprojekte wie hier in St. Pölten sind ein adäquates Mittel gegen immer höher werdende Mieten. Und gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten erweisen sie sich als besonders beschäftigungswirksam", sagte Bundeskanzler Werner Faymann am 30.07. anlässlich eines Baustellenbesuchs beim Projekt "Junges Wohnen" in St. Pölten.

Die Regierung hat bei der letzten Klausur in Krems ein Wohnbaupaket auf den Weg gebracht, um entsprechende Initiativen für leistbare Wohnungen und Beschäftigung anzustoßen. Die Zweckwidmung der Wohnbauförderung sei ein wichtiges Ziel für die kommenden Finanzausgleichsverhandlungen, erklärte Faymann im Rahmen des Termins.

Gemeinsam mit St. Pöltens Bürgermeister Matthias Stadler, dem Direktor der Wohnungsgenossenschaft, Wilhelm Gelb und dem Landesgeschäftsführer der SPÖ Niederösterreich, Robert Laimer, informierte sich Bundeskanzler Werner Faymann vor Ort über ein aktuelles Wohnbauprojekt, das speziell auf junge Menschen ausgerichtet ist.

Grätzl mit Schäbig-Schick, Wohnen in Wien-Meidling

Der echte Wiener zieht nicht ins Arbeiterquartier. Doch immer mehr Zugereiste schätzen seine Lage und den rauhen Charme. Wohnen in Wien-Meidling bedeutet Vielfalt zwischen hip und traditionell.
31.07.2015, von CHRISTIAN GEINITZ, WIEN


Der 12. Wiener Gemeindebezirk, Meidling, ist für seinen Dialekt bekannt. Legendär ist das „Meidlinger L“, ein im Gaumen gesprochener Konsonant, den böhmische Dienstboten in die Hauptstadt gebracht haben sollen. Hans Jörg Ulreich ist angetreten, dem urigen Zungenschlag ein bauliches Denkmal zu setzen. Auf dem Markt hat er drei Ladenlokale gekauft, die im rechten Winkel zueinander stehen. Einheitlich lila getüncht, bilden sie das Meidlinger L im Herzen des Viertels.
Mit etwas Fortune könnte das knallige Ensemble zur Keimzelle für den Strukturwandel in einem Quartier werden, in dem bis heute viele Personen mit geringem Einkommen und niedriger Bildung leben: Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger, Ausländer und „Mindestpensionisten“, Rentner, die staatliche Zuschüsse erhalten. Der Bauunternehmer Ulreich und seine Mitstreiter wollen junge kaufkräftige Schichten nach Meidling holen und so das Bild bunter und einladender machen. Auf dem Markt gelingt das schon.
In einem der drei Flachbauten ist eine alternative Gaststätte eingezogen, das „Purple Eat“. Hier kochen und servieren abgelehnte Asylbewerber Speisen aus ihren Heimatländern. Alle sind ehrenamtlich tätig, da sie keine Arbeitserlaubnis haben. Es gibt keine festen Preise, keine Rechnung, nur Spenden und Spendenquittungen. Heute kocht eine Afghanin Lachs mit Safranreis, eine Chinesin serviert, ein Somalier räumt ab. Junge, hippe Leute lieben so etwas, und deshalb sitzen sie vor dem „Purple Eat“ in der Sonne, trinken Michkaffee, Johannisbeerschorle oder Bier aus Flaschen und schaukeln Babys in Bugaboo-Kinderwagen.

Das Potential des „Grätzls“ früh erkannt

Das alte Meidling schmaust gleich nebenan. In und vor der „Holzhütt’n“ sitzt eine deutlich ältere und beleibtere Kundschaft, es gibt Käsekrainer, Gulasch, Bohnensuppe, Knödel mit Ei. Hier ist das „Meidlinger L“ häufiger zu hören als im „Purple Eat“ oder im „Milchbart“ in derselben Marktzeile. Das Szenecafé war 2012 der erste Vorbote der neuen Zeit und ist bis heute so etwas wie ihr Impulsgeber geblieben. Eine der ehemaligen Aushilfskräfte im Milchbart hat nebenan einen Feinkoststand eröffnet, „Anna am Markt“.
Weil er vom Potential des Standorts südwestlich der Innenstadt überzeugt ist, hat Ulreich nicht nur in die Markthütten, sondern auch in vier Mehrfamilienhäuser investiert. Ein unsaniertes Objekt nutzt er karitativ: Im „Freunde-schützen-Haus“ kommen abgelehnte Asylbewerber unter, wie sie im „Purple Eat“ arbeiten. Ulreich hat das Potential des „Grätzls“, wie man einen Wiener Kiez nennt, früh erkannt. Ihm fiel auf, dass es in Meidling wegen der günstigen Mieten zwar viele Büros gab, dass aber kaum einer der Angestellten hier wohnte. Nicht einmal zu Mittag wollten sie hier essen, sagt er. „Es gab kein anständiges Lokal - und das bei 90.000 Einwohnern.“ Mit dem „Milchbart“, dem „Purple Eat“ und den anderen Neugründungen hat sich das Angebot stark erweitert, in nur anderthalb Jahren stieg die Zahl der Marktbesucher um 50 Prozent. Einige der Neuankömmlinge begannen nach hochwertigen Wohnungen zu suchen, doch das Angebot war gering.
Ulreich erzählt, wie Peter Stöger, der Trainer des 1. FC Köln, in seinem Wiener Heimatstadtteil Favoriten erfolglos eine geräumige Dachgeschosswohnung suchte. Favoriten, mit fast 190.000 Einwohnern der größte Bezirk der Hauptstadt, grenzt an Meidling und weist eine ähnliche Sozialstruktur auf. „In solchen Gegenden gab es lange keinen anspruchsvollen Wohnraum“, sagt Ulreich. Zumindest in Ansätzen hat der Unternehmer das geändert, etwa in der Spittelbreitengasse, ein paar Straßenzüge westlich vom Meidlinger Markt. Hier errichtete Ulreich einen modernen Sechsgeschosser.

3500 bis 4000 Euro pro Quadratmeter

Zwischen Gründerzeitfassaden und sozialem Wohnungsbau, einer Mischung, die typisch ist für viele Wiener Quartiere, ist ein lichtes Eckhaus mit innenliegenden Balkonen entstanden. Ulreich hat auf die Energieeffizienz geachtet, es gibt eine Solaranlage und eine Biomasseheizung. Sein Konzept beschreibt er als einfach: In B-Lagen möchte er solche Käufer ansprechen, für die Wohnqualität und verträgliche Preise wichtiger sind als das Image. In einem guten Meidlinger Neubau oder einem „topsanierten Altbau“ koste der Quadratmeter 3500 bis 4000 Euro, rechnet er vor. Das sind 700 Euro weniger als in einer beliebten Gegend wie dem 6. Bezirk, „obgleich es dort genauso aussieht“.

Die Kunden des Burgenländers Ulreich kommen überwiegend von außerhalb Wiens. „Der klassische Wiener würde nicht nach Meidling ziehen, aber eine Menge andere Leute zieht der Schäbig-Schick an. Das ist ein bisschen wie in Berlin“, sagt er. Der türkische Bäcker an der Ecke hat bis Mitternacht geöffnet, nicht weit entfernt liegt das „U4“, der bekannteste Tanzclub Österreichs. Hier sind schon Prince, Kurt Cobain, Grace Jones, Rammstein und natürlich Falco aufgetreten.
Einer der Eigentümer in der Spittelbreitengasse heißt Manfred Gollop. Der Kärntner wohnt mit seiner kanadischen Frau und dem Sohn auf 115 Quadratmetern plus Terrasse im Dachgeschoss. „So etwas hätten wir uns anderswo nicht leisten können“, sagt er. Die Anbindung sei ideal mit zwei U-Bahnlinien und der Nähe zur Autobahn. Auch das Freizeitangebot schätzt die junge Familie. „Wir gehen gern im Park von Schönbrunn spazieren, da sind wir in einer Viertelstunde.“ Auf der gegenüberliegenden Seite des Schlosses, im Westen, liegt der Edelstadtteil Hietzing. „Da zu wohnen ist von der Lage her auch nicht besser, wäre aber unbezahlbar“, sagt der Informationstechniker.
Es gibt „Grätzl“, die wie Meidling angefangen, den Aufschwung aber schon durchlaufen haben. Sie alle sind rund um örtliche Lebensmittelmärkte entstanden. Das bekannteste Beispiel ist der Naschmarkt im 6. Bezirk, an dem viele angesagte Bars und Restaurants liegen und einige der begehrtesten Wohnlagen der Stadt. Der Karmelitermarkt im 2. Bezirk hat einen ähnlichen Boom erlebt, desgleichen der Brunnen- und Yppenmarkt im 16. Bezirk. Dort, im Arbeiterstadtteil Ottakring, waren die Bedingungen vergleichbar mit Meidling, inzwischen aber sind die Immobilienpreise viel höher. „Den Aufstieg hat niemand erwartet“, sagt Ulreich. Eher widerwillig übernahm er vor zwölf Jahren am Brunnenmarkt ein Haus im Paket mit einem zweiten. „Später hat man es mir aus den Händen gerissen.“

Riegel vor „Gentrifizierung“

Die alteingesessenen Meidlinger beobachten die Aufwertung mit Wohlwollen, denn ihr Stadtteil hat sich nicht immer zum Guten entwickelt. In der Fußgängerzone mussten etliche Traditionsbetriebe schließen, etwa der „Handschuhpeter“, wie sich Gabriele Mörk mit Bedauern erinnert: „Heute wird da billiger Modeschmuck verkauft.“ Später, als am Markt ein Einkaufszentrum eröffnete, gaben viele der kleinen Stände auf, der Platz verödete und zog dunkle Gestalten an. „Das war früher das mieseste Viertel des Bezirks“, sagt Mörk, die vor 53 Jahren in Meidling geboren wurde. „Heute ist die Gegend voll im Kommen.“

Mörk, deren Eltern in den fünfziger Jahren als burgenländische Kroaten nach Meidling kamen, vertritt den Bezirk im Wiener Landtag und im Gemeinderat. Die Politik habe schon viel erreicht, indem sie für eine bessere Strom- und Wasserversorgung gesorgt und am Markt neue Toiletten und eine Abfallpresse installiert habe, wirbt sie. Zudem helfe die Stadt bei Sanierungen und Krediten für Wohnungskäufe. „Jetzt kommen die interessanten Lokale und die privaten Bauinvestoren, so soll es sein.“
Dass die einheimische Bevölkerung verdrängt werden könnte und dass die Mieten stark steigen, befürchtet Mörk nicht. Dieser Art von „Gentrifizierung“ schiebe das österreichische Mietrecht, das Bestandsmieten begrenzt, einen Riegel vor. Aber zeigen nicht die Beispiele am Nasch- und am Brunnenmarkt, dass die Veränderungen auch Gefahren für die Authentizität bringen können? „Eins ist klar“, sagt die Abgeordnete nach kurzem Nachdenken, „so schickimicki wie da wollen wir nicht werden.“

Praterstern wird umgebaut: Sanfter Druck auf Obdachlose


Zuletzt war der Praterstern meist als sozialer Brennpunkt negativ in den Schlagzeilen. Der Bezirk steuert nun dagegen.
Erst 2009 wurde der Praterstern rundum erneuert. Dennoch waren nicht alle zufrieden. Immer wieder fühlten sich Passanten vom Pratersternmilieu belästigt. Jetzt legt die Bezirksvorstehung Leopoldstadt mit neuen Bauplänen nach. Anfang 2016 wird die dritte Wiener Filiale des veganen Restaurants „yamm! “ mitten am Praterstern eröffnet. Wo früher die Polizeiinspektion ihren Sitz hatte, wird das Trendlokal mit einem großräumigen Gastgarten aufbieten.
Keine fünf Meter daneben, haben Obdachlose und Arbeitslose ihren Stammplatz auf Parkbänken eingenommen. „Wenn die uns nicht stören, stören wir sie auch nicht“, meint Daniel Matei, ein Obdachloser und Augustin-Verkäufer aus Rumänien, der seine Tage gerne am Praterstern verbringt. Ein bisschen Angst habe er schon, dass er verdrängt würde und sie ihnen die Bänke wegnehmen.„Aber dann setzen wir uns eben einfach auf den Boden.“

Ausbau des Bahnhofs

Neben der Eröffnung des „yamm!“ soll 2016 auch die Halle des Bahnhofs am Praterstern erweitert werden und den externen Aufgang der U1 zukünftig miteinschließen. Laut ÖBB geht es dabei um die Erschließung neuer Verkaufsflächen und einen Witterungsschutz für Reisende. Zu den beiden Bauvorhaben am Praterstern äußert sich auch Bezirksvorsteher Karlheinz Hora: „In den kommenden zwei Jahren wollen wir schrittweise die Lebensqualität am Praterstern verbessern.“ 
Die beiden Bauvorhaben sind allerdings genau für jene Zonen am Praterstern angedacht, die überlicherweise von Obdachlosen besiedelt werden. „Wie man am Karlsplatz gesehen hat, bringen bauliche Maßnahmen natürlich etwas um die Zahl der Obdachlosen und Kleinkriminellen einzudämmen“, sagt Thomas Keiblinger, Pressesprecher der Polizei Wien. Die Einsatzzahlen am Praterstern sind laut Wiener Polizei rückgängig. Bei Anzeigen handelt es sich hauptsächlich um Grunddelikte, wie den Handel mit Suchtmitteln in Straßenmengen und Streitschlichtungen. Die meisten Obdachlosen am Praterstern sitzen jedoch  auf ihren Bänken, trinken und unterhalten sich.
(KURIER) ERSTELLT AM 30.07.2015, 16:26


Donnerstag, 30. Juli 2015

Neue Gemeindebau-Regeln: "Das ist diskriminierend"


Seit 1. Juli gelten in der Bundeshauptstadt neue Richtlinien für die Vergabe von Sozialwohnungen. "Echte Wiener" sollen so bevorzugt werden, doch schon jetzt herrscht Aufregung. Grund: Wiener Wohnen ordnet die Liste der Wartenden neu. Bei Volksanwältin Gertrude Brinek trudeln täglich Beschwerden ein: "Das System ist diskriminierend."
Betroffen sind vor allem Zugezogene aus den Bundesländern. Schon am ersten Tag gingen vier Beschwerden über das "Wohn-Ticket" bei der Volksanwaltschaft ein. "Und es werden laufend mehr", sagt Brinek. Wartende sollen "massiv zurückgereiht" werden, einige von ihnen entsprechen plötzlich nicht mehr den Kriterien. In einem Fall wurde der Betroffene von Wiener Wohnen informiert, dass er vom ersten auf den siebenten Listenplatz zurückfällt. Ein anderer Kandidat geht nun komplett leer aus, "weil er nicht durchgehend an einer Adresse gemeldet war".

16.500 Menschen warten auf Gemeindebauwohnung

16.500 Personen erfüllen die Kriterien und warten aktuell auf eine Gemeindebauwohnung.  Personen aus dem Wiener Umland oder Studierende ohne viele Meldejahre haben kaum Chancen. Sogar bei "echten Wienern" soll das System nicht aufgehen. Auch hier gibt es erste Beschwerden: Wer kurzzeitig ins Umland gezogen ist und nicht durchgehend gemeldet war, wird zurückgereiht. Brinek: "Es sind nicht hauptsächlich Personen mit Migrationshintergrund, die vom System betroffen sind."
Laut Brinek stehe das Wiener "Wohn-Ticket" auch in Konflikt mit demEU-Recht: "In einer Zeit, in der Mieten und Betriebskosten massiv gestiegen sind, werden langjährige Leistungsträger benachteiligt."

"Beim Supermarkt stellt man sich auch hinten an"

Bereits in der Vergangenheit warfen die Grünen dem SP-Wohnbaustadtrat Michael Ludwig vor, "FPÖ-Wählern schmeicheln" zu wollen. Im Interview mit der "Krone" erklärt Ludwig seine Sicht der Dinge:
"Krone": Herr Ludwig, wie lange wartet man durchschnittlich auf eine Gemeindewohnung?Michael Ludwig: Das hängt stark von den individuellen Wünschen ab. Wer sich etwa ausschließlich für eine Wohnung in den Innenbezirken anmeldet, wartet natürlich länger. Durchschnittlich liegt die Dauer zwischen einem Jahr und eineinhalb Jahren.
"Krone": Wie wird das neue Vergabesystem angenommen?Ludwig: Nach den ersten Wochen sind wir äußerst zufrieden. Selbstverständlich gibt es, wie bei jeder Neuerung, da oder dort vermehrten Beratungsbedarf, aber darauf waren wir gut vorbereitet.
"Krone": Zuletzt gab es Kritik wegen des Bonus für Langzeit-Wiener- zu Recht?Ludwig: Nein. Schon bisher musste man für eine Gemeindewohnung zwei Jahre in Wien wohnhaft sein. All jene, die länger hier leben, bekommen nun einen Bonus. Wer im Supermarkt an die Kasse geht, stellt sich schließlich auch hinten in der Reihe an.
"Krone": Die Volksanwaltschaft prüft die Vergabekriterien auf Diskriminierung...Ludwig: Auch die Volksanwaltschaft begrüßt die Neuregelung im Sinne einer transparenten Wohnungsvergabe. Gleichzeitig wurde die Stadt ersucht, zu drei Beschwerdefällen eine Stellungnahme abzugeben. Jeder Fall wird nun im Einzelnen geprüft.
Maida Dedagic und Alexandra Halouska, Kronen Zeitung/red



Berater und Sonderbeauftragte haben’s schön warm im Wiener Filz

Meinl-Reisinger kritisiert überhöhte Ausgaben des KAV für Beratungsleistungen



"Die Wiener Spitäler zu führen, ist gewiss eine komplexe Aufgabe. Doch dass der Wien Krankenanstaltsverbund mehr Geld für Beratungsleistungen ausgibt als das Finanzministerium zeigt einmal mehr die Unverhältnismäßigkeiten in dieser Stadt und dass Steuergeld in der Wiener Günstlingswirtschaft verprasst wird", ärgert sich Beate Meinl-Reisinger, NEOS-Spitzenkandidatin: Der Wiener Krankenanstaltenverbunds hat 4,3 Millionen Euro im heurigen Jahr für Beratungskosten veranschlagt.

Auch die verschiedenen Magistrate der Stadt Wien nehmen Beratungsleistungen in Anspruch: Laut Rechnungsabschluss werden dafür mindestens 1,9 Millionen Euro aufgewendet. Und das sind nur die offiziellen Zahlen, wie Meinl-Reisinger betont: "Wie überall im Rechnungsabschluss sind auch Beratungsleistungen nur in wenigen Fällen explizit ausgewiesen. Solche Zahlen lassen sich - genauso wie Werbungskosten - in dem verschachtelten System der Kameralistik wunderbar verstecken. Auf diese Weise wird der dichte rote Filz seit Jahrzehnten genährt. Ein üppiges Beratungswesen ist sichtlich ohnehin ein Steckenpferd der rotgrünen Stadtregierung, die über ein Dutzend Sonderbeauftragte samt Büros auf der Gehaltsliste stehen hat.
"Berater" - oftmals ohne jeglicher Fachkompetenz

"NEOS hat ein Aufbegehren gestartet, weil jeden Tag neue Beweise dafür auftauchen, wie dicht der rote Filz ist, in dem es die Freunderl und Günstlinge der Stadtregierung schön warm haben. Wir wollen 120 Millionen Euro aus diesem aufgeblähten Apparat herausschneiden und in die Zukunft investieren: in die Bildung unserer Kinder und damit in die Wirtschaft von morgen", betont Meinl-Reisinger abschließend.


Montag, 27. Juli 2015

Österreich klares Asylland Nummer 1


Wien. 100 Flüchtlinge, die mitten in Wien dehydriert aus Pkw und Minivans stolpern; 25 Menschen, die Schlepper gar nicht erst in die Stadt karren, sondern gleich auf der Autobahn S1 aussetzen; 56 Menschen, die ein einziger Schlepper halbbewusstlos über die burgenländische Grenze bringt - drei Ausschnitte des Asyl-Dramas im Zeitraum von nur vier Tagen. Die Schlepper steigen verstärkt um von auffälligen Kastenwagen auf Pkw mit unauffälligen Kennzeichen.
Dass Menschen so offen im Stadtgebiet ausgesetzt werden, das gab es bisher noch nicht und erhöht natürlich die Sichtbarkeit", sagt ein Sprecher des Innenministeriums. Sichtbarer wird zudem der Asylnotstand in Traiskirchen. Im Erstaufnahmezentrum wurde die absolut kritische 4000er Marke gerissen. Aktuell warten 4300 Menschen auf ihr Asylverfahren, 2000 sind ohne Bett.

 
Pro Kopf vor Deutschland
Über Monate kolportierte das Ministerium die Zahl von 70.000 Flüchtlingen, die es heuer erwartet. Nun haben die Experten ihre Prognosen für die Antragszahl deutlich angehoben - auf über 80.000. Diese Zahl nannte Peter Webinger, Gruppenleiter für Asyl und Migration bei einem Vortrag im Innenministerium. Später war in den Vorträgen von 85.000 Menschen die Rede.

Im Vergleich zu 2014 ist das eine Verdreifachung. Damals gab es 28.000 Anträge. Pro Kopf ist Österreich damit in Europa klares Zielland Nummer eins. Mehr als 60 Prozent der Asylwerber stellen ihren Antrag in nur vier Ländern: Deutschland, Österreich, Schweden und Ungarn. Deutschland dürfte seine Prognosen von 450.000 Flüchtlingen - eine Verdoppelung zu 2014 - ebenfalls bald anheben. Pro 1000 Einwohner liegt Deutschland aber klar hinter Österreich. Auch die Schweden hat Österreich bereits überholt, weil dort die Antragszahlen stagnieren (siehe Grafik). Die Zahlen zu Ungarn verzerren die wahre Situation. Die meisten ziehen weiter - vorrangig ins Nachbarland Österreich.
Das Innenministerium, das wiederholt von einem Asylnotstand sprach, sieht auch einen Solidaritätsnotstand in Europa. Denn laut Webinger nehmen 10 von 28 EU-Mitgliedsländern 92 Prozent der Flüchtlinge auf, "das heißt, 18 Länder nur 8 Prozent". Er zitiert Portugal mit heuer 455 Asylanträgen und die Slowakei mit 300. Das sind weniger als die 500, die das Nachbarland Slowakei aus Traiskirchen solidarisch übernimmt (mit einem positiven Asylbescheid kehren die Menschen wieder nach Österreich zurück).



Experte will gemeinnützigen Wohnbau öffnen

Wolfgang Amann, Leiter des Forschungsinstituts Immobilien, Bauen und Wohnen in Wien, lässt mit einem Vorschlag aufhorchen: Damit die hohen Wohnungspreise sinken, solle man den gemeinnützigen Wohnbau auch für die mittleren Einkommensschichten öffnen.
Wenn in Vorarlberg die Wohnungspreise für den Mittelstand zu hoch erscheinen, wäre es aus meiner Sicht ein adäquates Mittel, dass man den geförderten Wohnbau nicht nur für die untersten Einkommensschichten öffnet, sondern auch für mittlere Einkommensschichten“, so Amann gegenüber dem ORF. Damit würde der private Wohnungsmarkt stärker unter Druck geraten, weil er plötzlich mit dem der gemeinnützige Wohnungswirtschaft im Wettbewerb stünde.

Positive Erfahrungen in anderen Bundesländern

In anderen Bundesländern, wie etwa Oberösterreich, sehe man, „dass der private Wohnungsmarkt darauf reagiert, wenn mittlere Einkommensschichten auch in anderen Marktsegmenten Wohnungen finden können. Die geben bei ihren Preisen nach.“

Amanns Vorschlag steht im Widerspruch zur geltenden Auffassung, dass die Preise nur durch eine Vergrößerung des Angebots auf dem Wohnungsmarkt sinken könnten. Österreichs Neubau-Niveau liege im europäischen Spitzenfeld, argumentiert hingegen Amann, die Branche könnte also überhitzen. Besser sei daher, das derzeitige ohnehin hohe Neubau-Niveau zu halten - und eben den Wohnungssuchenden Alternativen an die Hand zu geben.

Samstag, 25. Juli 2015

Menschenrechtsbüro: Noch wenig Konkretes

Seit heuer hat die Stadt Wien mit Shams Asadi eine Menschenrechtsbeauftragte. Nun gibt es auch ein eigenes Menschenrechtsbüro. Welche Aufgaben dort ab September erfüllt werden, ist jedoch noch unklar.
Viel Hoffnung habe ich nicht. Vielleicht wäre es einmal an der Zeit unseren Damen und Herren einmal zu erklären, was Menschenrechte überhaupt sind. 

Seit vergangenen Dezember darf sich Wien als „Stadt der Menschenrechte“ bezeichnen. Der Gemeinderat verabschiedete damals per Deklaration, dass Wien bei den Menschenrechten künftig ein Vorbild sein wird. Als ersten Schritt dieses „work in progress“ wurde unter anderem Shams Asadi, die bei der Nationalratswahl 2013 für die SPÖ antrat, von der Menschenrechtskoordinatorin zur Menschenrechtsbeauftragten der Stadt Wien ernannt. Im Juli bezog sie das so genannte Wiener Menschenrechtsbüro in der Neutorgasse im ersten Bezirk.

Vernetzung und Koordination

Das Büro sei für Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) und Asadi „vor allem auch ein wichtiger symbolischer Akt“. Denn durch das Büro seien die Menschenrechte nun sichtbar in der Stadtverwaltung verankert, heißt es. Neben der Symbolwirkung sollen in dem Büro jedoch auch viele Ideen umgesetzt werden, konkrete Projekte gibt es jedoch noch nicht. Asadi plant, künftig über das Büro sämtliche Institutionen und NGOs, die etwas mit Menschenrechten in der Stadt zu tun haben, zu koordinieren.

Die NGOs haben ein enormes Wissen. Und die Stadt möchte auf dieses Wissen zugreifen und gemeinsam mit der Bevölkerung etwas tun“, so Asadi gegenüber „Wien heute.“ Es gehe um Vernetzung, auch international. Über das Budget des Büros gibt es keine Auskunft. Offiziell eröffnet werden soll es im September.


Gespräche mit Jugendanwaltschaft

Inhaltlich liege der Schwerpunkt heuer auf dem Thema Kinderrechte. Ein erstes Treffen mit den entsprechenden Fachabteilungen des Magistrats sowie der Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft sei geplant. „Vielleicht ergibt sich eine Zusammenarbeit am Tag der Kinderrechte am 20. November“, so Monika Pinterits von der Kinder- und Jugendanwaltschaft gegenüber wien.ORF.at. Konkrete gemeinsame Vorhaben gibt es noch nicht. „Mir ist es wichtig, dass die Kinderrechte neben den Menschenrechten nicht untergehen. Denn im Bereich der Kinderrechte hat Wien noch eine Menge zu tun“, so Pinterits.

Kooperation mit Wiener Polizei

Ebenfalls noch für heuer sind „Round Tables“ mit der Wiener Polizei, mit Politikern und der Stadtverwaltung geplant. Bei der Wiener Polizei bestätigt man das Vorhaben. „Welche Themen dort besprochen werden, können wir noch nicht kommunizieren“, so Johann Golob gegenüber wien.ORF.at. „Bei der Polizei gibt es auch intern das langjährige Erfolgsprojekt ‚Polizei macht Menschenrechte‘. Dadurch fließt das Thema bereits jetzt in die Polizeiausbildung ein.“
Ob es sich tatsächlich um ein Erfolgsprojekt handelt, ist unklar. Mit WU-Professor Alfred Zauner zog sich inzwischen einer der externen Initiatoren aus dem Projekt zurück, da „der interne Stellenwert des Projekts bei der Polizei geringer geworden ist.“

Auf Gespräche folgt Maßnahmenplan

Asadi kündigte ebenso an, einen Maßnahmenplan für die weitere Arbeit im Rahmen der Menschenrechtsstadt Wien für vier Jahre zu erstellen. „Dieser wird dann der Stadtverwaltung vorgelegt“, so Asadi. Außerdem soll ein Monitoringsystem entwickelt und die Bewusstseinsbildung in der Gesellschaft gestärkt werden. „Vielleicht gibt es auch einmal einen Menschenrechtspreis in Wien“, so Asari.



Hoffnung auf Menschenrechtsbericht

Das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte unterstützt das Büro für Menschenrechte. „Die Wunschvorstellung wäre, irgendwann so etwas wie einen zweijährlichen Menschenrechtsbericht der Stadt Wien vorliegen zu haben, wo die Situation beleuchtet wird", hofft Fiona Steinert vom Institut. Denn Nachholbedarf gäbe es sicherlich genügend - etwa bei der politischen Partizipation, oder auch im Asylbereich, selbst wenn hier Wien besser als andere Städte da steht.

Freitag, 24. Juli 2015

„Das ist die Vernichtung des privaten Marktes“


Universalmiete versus Deregulierung des privaten Wohnungsmarktes: Walter Rosifka, Wohnrechtsexperte der Arbeiterkammer, diskutiert mit Michael Pisecky, Obmann der Wiener Immobilientreuhänder, über ehrliche Mietverträge.

Die Presse: Ist Wohnen in Wien zu teuer?

Die zittern wieder, dass ie vielleicht einen geringeren Nutzwert bekommen. Aber da brauchen sie sich keine Sorgen zu machen, Schelling ist am Ruder, gemeinsam mit der SPÖ, die werden es schon anpacken, schließlich ist Wien der größte Wohnungsvermieter in Österreich. Und die funktionieren genauso wie die Privaten.

Walter Rosifka: Ja, für den Durchschnittsverdiener ist der private Mietmarkt zu teuer. Wir hatten in den vergangenen zehn Jahren bei den Neuvermietungen extreme Steigerungen. Ich habe mir die Angebote auf immobilien.at angesehen, da gibt es kaum Wohnungen unter 13 Euro brutto pro Quadratmeter. Das gehört eingedämmt.



(Niccht nur der private Markt ist zu teuer, auch die Sozialwohnungen sind zu teuer!)



Michael Pisecky: Ich finde nicht, dass wir von einem zu hohen Preis reden können. Wenn man den gesamten Markt, also auch Gemeinde- und Genossenschaftsbauten, betrachtet, liegt der Anteil des Einkommens, den man in Wien fürs Wohnen aufwendet, zwei Prozentpunkte unter dem EU-28-Schnitt. Der private Markt für sich allein genommen liegt im Durchschnitt. Immerhin wohnen auch 50 Prozent der Geringverdiener „privat“. In Summe ist der Mietzins dank Altmietverträgen in Ordnung. Die Unverhältnismäßigkeit entsteht nur, weil es ein Gefälle zwischen Alt- und Neumietern gibt: Denn wenn ich alte Verträge nicht anpassen kann, dann muss ich das eben mit den neuen ausgleichen.
Rosifka: Wenn der Durchschnitt nur dank Altmietverträgen in Ordnung ist, heißt das: Würde man in die alten Verträge eingreifen können, wäre er es nicht mehr.
Piesecky: Doch, denn dann gäbe es bei den Neuvermietungen mehr Spielraum.
Rosifka: Eben nicht. Die Vermieter warten einfach, bis jemand kommt, der ihren Preis zahlt. Schon jetzt stehen laut willhaben.at 400.000min Wien an Wohnungen leer, die 1500 Euro plus kosten.
(Das kann ich nicht wirklich glauben, denn wer wartet, wenn er weiß, dass sich kein Mieter finden lässt. Die Kosten für die Wohnung sind einmal da, … Wenn der Vermieter lieber im Minus ist als ein geringeres Plus zu akzeptieren, dann muss er eben warten.)
Piesecky: Heute werden manche Wohnungen bereits billiger vermietet als noch vor drei, vier Jahren. Die überbordende Nachfrage beschränkt sich auf kleinere, günstigere Wohnungen in zentraler Lage.
Ein gar nicht kleiner Teil des privaten Marktes ist, da Altbau,preisgeregelt. Verhindert das nicht eine breite Teuerung?
Rosifka:Die Preisregulierung existiert, aber sie wirkt nicht. Das Gesetz ist so lax formuliert, dass man verlangen kann, was man will, ohne sanktioniert zu werden. Ich habe auf immobilien.at eine 40-Quadratmeter-Wohnung um 600 Euro gefunden – befristet, im 16. Bezirk, wo es keinen Lagezuschlag gibt. Natürlich kann man zur Schlichtungsstelle gehen, wo die Miete nach einem Verfahren wohl auf 350 Euro gesenkt wird. Aber erst einmal muss man die Wohnung um 600 € mieten.
Pisecky: Sie sehen nur jene, die sich beschweren. Ich sehe jene 95 Prozent, die sich nicht beschweren.
Rosifka: Die Bauträger und Vermieter geben offen zu, dass sie gesetzeswidrige Mietzinse verlangen, eben weil sich nur fünf Prozent beschweren. Der Rest fürchtet nämlich, gekündigt zu werden oder dass die Frist nicht verlängert wird. 60 Prozent aller privaten Mietwohnungen werden befristet vermietet. Das macht die Leute erpressbar.
Pisecky: Die häufige Befristung hat eine andere Ursache: Das Mietrecht ist in Österreich stärker als das Eigentumsrecht. Wenn ich eine Wohnung unbefristet vermiete, dann habe ich darüber keine Verfügungsgewalt mehr – mitunter über Generationen.
Rosifka: Es gibt die Eigenbedarfskündigung.
Pisecky: Ja, aber wenn ich ein ganzes Zinshaus habe, kann ich die nur sehr beschränkt einsetzen.
Rosifka: Und das ist auch gut so.
Pisecky: Wir wären dafür, Anreize für eine Verlängerung der Fristen zu setzen, etwa dass es bei zehn Jahren Befristung nur zehn Prozent Abschlag gibt und bei 15 Jahren gar keinen mehr. Die Befristung ist auch das Resultat einer Verunsicherung. Seit 15 Jahren diskutieren wir über das Mietrecht, und ständig geht es um Preisregulierungen. Der aktuelle SPÖ-Vorschlag für ein Universalmietrecht ist eine Gefahr für den Mietmarkt. (Anm.: Der Vorschlag sieht eine österreichweite Basismiete von 5,5 Euro pro Quadratmetervor plus fixe Zu- oder Abschläge. Gelten soll die Universalmiete für alle Häuser, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses älter als 20 Jahre sind.)
Rosifka: Die Universalmiete ähnelt doch dem jetzigen Richtwertsystem. Sie ist nur transparenter und klarer, weil die Zu- und Abschläge im Gesetz fixiert sind und die Basismiete bundesweit einheitlich ist.
Pisecky: Das ist die Vernichtung des privaten Wohnungsmarktes, denn es bedeutet Einheitswohnen für alle. Keiner könnte ein bisschen luxuriöser oder günstiger wohnen. Es kann keine Einheitsbasismiete von Eisenstadt bis Bregenz geben. Es gibt ja so viele gute Lagen, wo ich wesentlich mehr als diese Einheitsmiete bekomme.
Rosifka: Ich höre immer: Lage, Lage, Lage. Die Frage ist: Wer leistet hier etwas? Die gute Lage wird oft von uns allen, den Steuerzahlern, finanziert. Wir zahlen die Infrastruktur, die U-Bahn, die Schulen.
Pisecky: Die Lage umfasst aber auch die Umgebung an sich. Soll man jetzt den lieben Gott in die Rechnung hineinnehmen, weil er den Kahlenberg gemacht hat?
Rosifka: Genau das ist mein Punkt. Wo ist die Mehrleistung des Vermieters, wenn er für die schöne Lage zwanzig Prozent mehr will?
 
Aber die schöne Lage hat der Vermieter beim Erwerb der Wohnung mitbezahlt. Warum soll er sie nicht weiterverrechnen?
Rosifka: Das Universalmietrecht berücksichtigt die Lage, aber sie darf nicht mehr zählen als Investitionen, etwa Sanierungen. Derzeit haben wir Lagezuschläge von bis zu sechs Euro bei einem Richtwert von 5,39 Euro pro Quadratmeter. Der Grund, warum wir eine Basismiete für ganz Österreich wollen, ist die Überlegung, dass auch ein Arbeiter in Wien oder Salzburg nicht so unterschiedlich viel verdient. Der Krankenschwester in Wien hilft es nicht, wenn ich ihr sage: Zieh um ins steirische Fohnsdorf, dort ist es billiger. Warum soll ein Durchschnittsverdiener nicht zentral wohnen dürfen?
Piesecky: Sie wollen, dass jeder überall wohnen kann. Das ist löblich, aber wozu führt das? Wenn ich den Markt so vergewaltige, wird erstens der Wert der Immobilien sinken und damit deren Belehnungswert, sprich, die Eigentümer bekommen Probleme mit ihren Krediten. Zweitens: Wer, glauben Sie, wird die günstigen Wohnungen bekommen? Wieder nur die Gutverdiener, denn der Vermieter will sichere Einnahmen. Drittens käme es zu einem Sanierungs- und Investitionsstopp. Denn wenn ich nicht mehr verlangen kann, mache ich nur das Allernötigste.
Rosifka: Der wahre Sanierungsmotor ist doch die Wohnbauförderung. Wien hat 2,5 Milliarden in die Sanierung gesteckt.
Pisecky: Die Gemeinde Wien will immer fördern, um sich einzumischen. Uns wäre ein angemessener Mietzins für ein topsaniertes Gründerzeithaus lieber.
 
Sie wollen also das Richtwertsystem für den Altbau aufheben?
Pisecky: Ja, wir wollen eine generelle Deregulierung, also einen frei vereinbarten, aber angemessenen Mietzins für alle Wohnungen, wobei angemessen heißt, dass es kein Wucherpreis sein darf. Realpolitisch ist eine komplette Deregulierung aber nicht möglich, daher würden wir im Altbau beim Richtwertsystem bleiben. Es sollte aber überarbeitet werden und zu einem transparenten Referenzsystem werden: Wer mehr als den Referenzwert verlangt, muss das nachvollziehbar im Mietvertrag begründen.
 
Warum werden nicht schon jetzt Zu- und Abschläge im Mietvertrag aufgelistet?
Rosifka: Ganz einfach: Weil die Vermieter es nicht müssen.
 
Wäre es ein Problem, das zu machen?
Pisecky: Nein, das ist in einer Novelle ein Punkt, dem wir zustimmen können.
 
Herr Pisecky, Sie haben zu Beginn etwas Interessantes gesagt, nämlich, dass 50 Prozent der Geringverdiener im privaten Mietmarkt wohnen. Gehören die nicht auf den Sozialbauwohnungsmarkt, Herr Rosifka?
Rosifka: Warum? Als ich damals nach Wien gekommen bin, habe ich in einer Kategorie-D-Substandardwohnung gewohnt. Warum soll man verbieten, dass Einkommensbezieher unterm Durchschnitt im privaten Markt wohnen?
 
Keiner redet von Verbieten. Aber ist das nicht ein Indiz, dass der soziale Wohnbau nicht so treffsicher ist?
Rosifka: Das sehe ich nicht so. Milliarden unserer Steuermittel stecken im privaten Wohnbau. Man tut immer so, als ob das alles von den Privaten selbst geschaffen worden wäre. Das haben wir bezahlt. Das muss dann auch dem Gemeinwohl dienen. Ein Drittel der privaten geförderten Wohnungen wird von der Stadt Wien zugewiesen – natürlich auch an Geringverdiener.
Pisecky: Einerseits ist der Sozialbau nicht treffsicher, andererseits fordern Sie von den Privaten, dass sie über Preisregulierungen einen Beitrag zum günstigeren Wohnen leisten. Das ist absurd. Was ist eigentlich mit den 80.000 Zuwanderern, die jährlich nach Wien kommen? Da sie erst kurz da sind, haben sie gar keinen Zugang zum sozialen Wohnbau. Wo ist da die soziale Verantwortung?
 
Herr Rosifka, Sie argumentieren, dass man im Gegenzug für Förderungen auch den Mietzins regulieren darf. Aber wie rechtfertigen Sie die Regulierung von frei finanzierten Wohnungen?
Rosifka: Für den ungeförderten Wohnbau gibt es ja erst dann Preisobergrenzen, wenn die Errichtungskosten zurückverdient sind. Im Übrigen sind dort Werte bzw. Wertsteigerungen der Immobilien, – etwa in U-Bahn-Nähe – von der Allgemeinheit finanziert.
Pisecky: Das ist arg. Wenn ich Geld investiert habe, dann brauche ich irgendwann nichts mehr dafür kriegen, oder wie?
Rosifka: Nichts stimmt ja nicht. Wenn in St. Pölten der freie Mietzins für neue Wohnungen im Durchschnitt bei 6,20 Euro liegt, dann verstehe ich nicht, warum 5,5 Euro Basismiete für alte, bereits refinanzierte Wohnungen ein Problem sein sollen. Außerdem gibt es auch so etwas wie die Sozialpflichtigkeit von Grund und Boden.
Pisecky: Ich bin auch der Meinung, dass Eigentum verpflichtet. Ich muss mich um eine optimale Nutzung kümmern, aber ich muss nicht alles verschenken.
 
Ändert der Beschluss Wiens, Gemeindebauten zu errichten, etwas an der Marktsituation?
Rosifka: Es ist relativ egal, wer günstige Wohnungen baut. Hauptsache, sie werden gebaut.
Pisecky: Das ist Wahlkampf. 200 Gemeindewohnungen helfen nicht viel.


Chef der türkischen Liste würde mit FPÖ koalieren


Taskiran: Strache hat harte Schale, aber weichen Kern – Rumänische Liste und Gemeindebau-Partei wollen ebenfalls antreten

Wien – Noch ist nicht klar, ob und wo – also in welchen Wahlkreisen – sie bei der Wien-Wahl antritt, sie sorgt jedoch bereits für Aufsehen: jene Liste, mit der der türkischstämmige Arzt Turgay Taskiran antreten möchte. Im Interview mit dem Magazin "News" erklärt er nun, dass er auch mit der FPÖkoalieren würde, wenn man mit dieser gemeinsame politische Ziele umsetzen könne.
"Ich denke, dass die FPÖ große Vorurteile gegen unsere Liste hat. Die könnte man in einer Koalition brechen. Außerdem: (FPÖ-Chef Heinz-Christian, Anm.) Strache hat zwar eine harte Schale, aber einen weichen Kern", zeigte sich der Neo-Listenchef überzeugt. Wahlziel sei der Einzug in den Landtag bzw. Gemeinderat, als inhaltliche Schwerpunkte nannte Taskiran etwa den Bereich Bildung. Statt Klassen mit fast hundertprozentigem Migrantenanteil brauche es eine "Durchmischung".
Gegen Einführung der Homo-Ehe
Für die Homo-Ehe würde er hingegen nicht stimmen, auch wenn man gleichgeschlechtliche Partnerschaften schützen müsse, wie er betonte. Taskiran – der einst auch Präsident der AKP-nahen Union europäisch-türkischer Demokraten (UETD) war – beteuerte gegenüber "News", dass der Wahlkampf nicht mit Geldern aus dem Ausland finanziert werde, sondern durch Spenden von Unternehmern.
Auch andere Proponenten bereiten ihr Antreten am 11. Oktober vor: Neben einer rumänischen Liste möchte auch eine Gemeindebau-Partei mitmischen, wie die "Presse" berichtete. Initiiert wurde das Projekt von einem Mieterbeirat. Schwerpunkt der Partei ist laut dem Bericht die Verbesserung der Situation im Gemeindebau, "sei es beim Zusammenleben oder bei dem Umgang von Wiener Wohnen mit den Mietern". (APA, 24.7.2015)


Donnerstag, 23. Juli 2015

Gemeindebau-Partei will gegen die SPÖ antreten



Wien-Wahl. Mietervertreter einer roten Hochburg gründet eine Partei, um bei der Wien-Wahl im Herbst anzutreten. Und nach der türkisch dominierten Liste kündigt auch eine rumänische Partei ihre Kandidatur an.

Die Luft für Häupl und der SPÖ wird immer dünner!

Der ohnehin nicht langweilige Wiener Wahlkampf wird noch turbulenter. Nach der angekündigten Kandidatur einer türkisch dominierten Liste bereitet die „Demokratische Alternative“ ihren Antritt vor. Das ist deshalb brisant, weil sie ihre Basis im Wiener Gemeindebau hat – im Reich der roten Kernwähler.
Gegründet wurde die Partei, deren konstituierende Sitzung in der nächsten Woche stattfindet, im Hugo Breitner Hof in Penzing. Dieser ist mit 3500 Bewohnern einer der größten Gemeindebauten der Stadt. Getragen wird Projekt der Gemeindebau-Rebellen von einer Gruppe rund um Gerhard Kuchta, der als Mieterbeirat seit langen Jahren die Interessen der Gemeinbebaubewohner äußerst streitbar vertritt. „Wir sind im Gemeindebau nicht unbekannt“, antwortet Kuchta auf die Frage, ob seine Partei genügend Unterschriften für den Antritt schaffen wird: „Wir sind mit rund 200 Gemeindebauten in Wien vernetzt.“ Derzeit laufe die Wahlwerbung vor allem über soziale Medien und das Internet.

"Man muss es versuchen"

Schwerpunkt der Partei ist die Verbesserung der Situation im Gemeindebau, „sei es beim Zusammenleben oder bei dem Umgang von Wiener Wohnen mit den Mietern.“ Daneben fordert die Partei eine Direktwahl der Stadtregierung samt jährlicher Abwahlmöglichkeit, Abschaffung der politischen Immunität, Reduktion der Politikerbezüge, Einsparungen in der Verwaltung und verpflichtende Abstimmungen nach erfolgreichen Petitionen. In Wien gibt es 220.000 Gemeindewohnungen, etwa zwei Drittel der Wiener lebt dort bzw. in einer geförderten Wohnung. Die Chancen der Liste sieht Kuchta allerdingsals eher gering: „Aber man muss es versuchen.“
Die Kandidatenliste zersplittert unterdessen weiter. Auch eine rumänische Liste sammelt derzeit Unterschriften für ein Antreten. Sorin Popescu zur „Presse“: „Wir machen das, damit unsere Meinung gehört und das Zusammenleben in Wien verbessert wird.“ Die „Rumän-Innen Partei Österreich“ will für alle Migranten attraktiv sein, auch wenn Popescu sagt: „Die Chancen sind gering. Vielleicht schaffen wir eine Kandidatur nur in einigen Bezirken.“ Dazu hält die Statistik fest: In Wien leben derzeit rund 85.000 Menschen rumänischer Herkunft – die Rumänen sind die zweitgrößte Zuwanderergruppe. Jene, die nicht eingebürgert wurden, dürfen zumindest als EU-Bürger auf Bezirksebene wählen.

27,5-Stunden-Woche

Die Forderung der Partei: Maßnahmen für ein positives Zusammenleben, monatliche Lohnzahlungen für Hausfrauen, Wiedereinführung der Doppelstaatsbürgerschaften und die 27,5-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Für unrealistisch hält Popescu das nicht: „Die Lehrer arbeiten nur 25 Stunden, bei denen geht das auch.“


„Pizzeria Anarchia“: Staat bleibt auf Kosten sitzen

Nach der Räumung der besetzten „Pizzeria Anarchia“ in der Leopoldstadt im Vorjahr wird das Innenministerium kein Geld von den Hausbesitzern fordern. Der Einsatz mit über 1.400 Polizisten kostete 870.000 Euro.

Das Innenministerium ließ prüfen, ob es Ansprüche gegen die Hausbesitzer geltend machen kann. Doch es gebe keine Möglichkeit, sich das Geld zurückzuholen, sagte Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck gegenüber dem ORF Wien. „Das Ergebnis liegt jetzt am Tisch, und nach aktueller Rechtslage gibt es keine Möglichkeit einer Forderung“, so Grundböck.

Spekulationsabsicht laut Ministerium nicht relevant

In der 20-seitigen Rechtsexpertise seien zwei Aspekte beleuchtet worden. „Das eine war die Perspektive einer Assistenzleistung der Polizei für den Gerichtsvollzieher. Das zweite war die sicherheitspolizeiliche Aufgabenstellung, wo die Polizei von sich aus Maßnahmen ergreift“, sagte Grundböck. Ob die Hausbesitzer in Spekulationsabsicht gehandelt haben, war laut dem Sprecher für die Frage des Regresses nicht von Relevanz. Eine Einschätzung, die auch der Wiener Anwalt Timo Gerersdorfer teilt, wie er auf Anfrage sagt.


Die Hauseigentümer hatten zahlreichen Punks angeboten, gratis für ein halbes Jahr in das Haus in der Mühlfeldgasse 12 einzuziehen. Vermutetes Ziel: Sie sollten die letzten Mieter des Hauses hinausekeln, damit die Liegenschaft gewinnbringend verwertet werden kann. Die Hausbesitzer, die schon davor wegen Mieterbeschwerden in den Fokus der Stadt geraten waren, wiesen die Vorwürfe zurück.

Staatsanwaltschaft übermittelte Vorhabensbericht

Ein gerichtliches Nachspiel könnte es jedenfalls für die Hausbesetzer geben. Nach dem Einsatz gab es 31 Festnahmen und 55 Anzeigen - mehr dazu in Pizzeria Anarchia“: 31 Festnahmen. Die Staatsanwaltschaft Wien hat die Ermittlungen dazu abgeschlossen und einen Vorhabensbericht an die Oberstaatsanwaltschaft übermittelt. Die Letztentscheidung über mögliche Anklagen liegt damit beim Justizministerium.
Hubert Kickinger, wien.ORF.at